Wohn- und Gewerbeüberbauung Zollhaus

Ort

Areal Zollstrasse West, 8005 Zürich

Auftragsart

Wettbewerb, 2015

Auftraggeberin

Genossenschaft Kalkbreite

Auf dem Areal «Zollstrasse West» im Zürcher Kreis 5 soll ab 2020 die zweite Siedlung der Genossenschaft Kalkbreite stehen, das «Zollhaus»: Ein Wohn- und Gewerbebau mit einem breiten Nutzungsmix, der sich der Nachhaltigkeit in allen Dimensionen verpflichtet. Die künftigen Nutzerinnen und Nutzer des Zollhauses haben in einem generischen Partizipationsprozess den Leitsatz «Eine Stadt ist nur dann eine Stadt, wenn alle darin Platz haben» aufgestellt und daraus einen Architekturauftrag formuliert. Das Programm des Architekturwettbewerbs wurde teilweise in Form einer Kurzgeschichte publiziert, worauf Bollhalder Walser Architektur mit einer ebensolchen antwortete. Mehr

Ein Tag im «Zollhaus». Marcella (24-jährig, Architekturstudentin und frisch verliebt) flitzt die Treppe aus dem 5. Obergeschoss runter ins Erdgeschoss, wo sie sich auf ihr Velo schwingt. Es ist kurz vor 7 Uhr in der Früh und eigentlich sollte man das Fahrrad hier stossen. Aber Marcella liebt es, am Morgen durch die ausgestorbene «Rue Interieure» des «Zollhaus» zu sausen und durch die Schiebetüren der Eingangshalle in den schlaftrunkenen Kreis 4 zu düsen. Sie muss pünktlich um 7.35 Uhr in der Vorlesung sein, und Marcella ist – wie jeden Morgen – spät dran...
Tom (41-jährig, Artist und Lebenskünstler) trifft auf Marcella, als diese gerade fluchtartig das «Zollhaus» verlässt. Lachend ruft er ihr noch hinterher, dass dies hier «im Fall» eine Fussgängerzone sei. Tom ist eine der guten Seelen des «Zollhaus». Er hilft wo er kann, und dies mit unglaublicher Leidenschaft. Tom arbeitet Teilzeit in einem Start-Up-Unternehmen, das sich einige Geschosse weiter oben im «Zollhaus» eingemietet hat. Heute Morgen hilft er im Kulturrestaurant aus, wo um 9 Uhr eine grosse Kindergeburtstagsparty steigen wird. Im Theatersaal haben die Kinder schon seit gestern Abend eine selbsternannte Geisterbahn aufgebaut. «Bis dies alles wieder sauber ist…», denkt er schmunzelnd, während er die Treppe der Eingangshalle hinauf schlendert.
Erna (64-jährig, pensionierte Buchhalterin und leidenschaftliche Hobbygärtnerin) spaziert bestens gelaunt unter den wilden Bäumen hindurch in Richtung Langstrasse. Davor hat sie mit ihren Mitbewohnerinnen ein langes Frühstück auf der Gleisterrasse genossen. Sie wohnt im Gebäude mit den Kleinwohnungen, das über eine gemeinsame Gartenküche für die Mitbewohner verfügt. Erna ist bereits ein wenig aufgeregt, um 11 Uhr kommen ihr ältester Bruder und dessen Frau mit dem TGV aus Paris im «Zollhaus» an. Sie wartet im Café an der Zollstrasse auf das Paar. Nachdem die beiden ihr Gepäck in ihrem Zimmer in der Pension abgeladen haben, gehen sie gemeinsam auf die grosse Dachterrasse. Dort zeigt Erna den beiden ihre Gemüsebeete, worin zahlreiche liebevoll herangezogene Pflänzchen gedeihen. Anschliessend kochen die drei gemeinsam eine feine Suppe aus den frisch geernteten Kräutern in der Gemeinschaftsküche des «Zollhaus».
Yannik (7-jährig, er kennt jeden bekannten und unbekannten Winkel des «Zollhaus») freut sich, dass Erna heute seine Lieblings-Suppe gekocht hat. Er ist soeben von der Schule nach Hause ins «Zollhaus» gekommen und möchte auch gleich wieder raus auf die Gleisterrasse, wo seine Freunde bereits auf ihn warten. Seine Mutter ist für zwei Tage nicht Zuhause, und so geniesst er seinen freien Nachmittag gleich doppelt. Leider beginnt es kurz nach 13 Uhr zu regnen, sodass sich Yannik und seine Freunde rasch in die «Rue Interieure» verziehen. Dort haben die Kinder unter einem Oberlicht einen Ping-Pong-Tisch aufgestellt, der nun fast täglich zum Einsatz kommt. Leider muss er um 14 Uhr schon wieder im 3. Stock im Klavierunterricht sein. Dort haben einige befreundete Familien einen «Weissen Raum» gleich neben Ihrer Cluster-Wohnung dazu gemietet und ein Musikzimmer eingerichtet. Heute ist Yannik überhaupt nicht bei der Sache und sein Blick wandert gedankenversunken immer wieder über das Gleisfeld. Es gibt wirklich keine Lokomotive, deren Namen er nicht kennt. Dies ist die Erkenntnis seiner dritten Klavierunterrichtsstunde.
Auf dem Weg zurück zu seinen Spielkameraden trifft Yannik auf Marcella, die gerade ihren Drahtesel neben dem zentralen Waschsalon parkiert. Er kennt sie gut, sie ist seine Nachbarin und Marcellas Wohngemeinschaft teilt die Loggia mit der Grosswohnung, in der Yannik wohnt.
Marcella muss sich beeilen, um 15 Uhr sollte sie in der «Zollhaus-Bäckerei» ihren Teilzeitjob antreten – und sie ist mal wieder spät dran. Ihre Gedanken hingegen sind schon ganz dem Feierabend gewidmet: Sie hat am Abend ihrem neuen Freund, einem Austauschstudenten aus Kanada, eine Nachhilfestunde in Deutsch versprochen. Zum Glück konnte Henrick nun provisorisch in einen Wohnjoker gleich neben ihrer 5er-WG einziehen. Auf die Dauer wäre ihr das dann wirklich zu viel geworden, ihr Zimmer ständig mit ihm zu teilen. Eigentlich würde Marcella heute auch noch in der Zollhaus-Theatergruppe von Tom teilnehmen, aber für einmal muss sie passen. Immerhin wird sie ihn später noch auf der Dachterrasse beim Grillfest treffen…
Erna muss ihre Gäste am Nachmittag alleine auf Erkundungstour schicken, denn sie hat heute ihren freiwilligen Einsatz in der Kindertagesstätte des «Zollhaus». Dort hilft sie einmal in der Woche aus und spielt mit den Kindern «Mikado».
Tom hingegen ist froh, als er sich gegen 17 Uhr endlich für eine Stunde etwas ausruhen kann. Er verzieht sich ins oberste Geschoss des Kopfbaus, wo er in einer der sagenumwobenen Hallenwohnungen des «Zollhaus» wohnt. Hier konnte Tom zusammen mit zehn Gleichgesinnten seine eigene Welt einrichten. Die Halle war anfangs nur mit drei Nasszellen und einer Küche ausgestattet. In wochenlangen Heimwerker-Arbeiten haben sie sich nun ihre eigene, ausgeklügelte Gross-WG gebaut. Zahlreiche kleine Kammern und einige grosse Nischen haben sie aus der 3 m hohen Halle herausdestilliert – und dabei für die Kinder eine Spielwelt mit dreigeschossigen Kajütenbetten und eigenem «Zeltplatz» erstellt. Einfach perfekt.
Gegen 18 Uhr macht sich Tom auf den Weg in den Theatersaal, wo die Probe in wenigen Minuten beginnt. Er muss noch einiges vorbereiten. Erna hingegen hat sich in ihre Einzimmerwohnung zurückgezogen, wo sie in Ruhe die Zeitung lesen möchte, bevor das Grillfest auf der Dachterrasse beginnt.
Um 19.30 Uhr wird es langsam dunkel über dem Kreis 4. Im letzten Abendlicht gleiten die Intercityzüge über das schier endlose, glänzende Gleisfeld in die Nacht hinein Richtung Aarau, Basel, Bern. Lange stehen Erna und Tom am Geländer und schauen in die Ferne. Nun kommt auch noch Marcella mit ihrem Henrick hinzu. Die beiden können kaum voneinander lassen.
Der allmonatliche Grillabend der «Zollhaus»-Bewohner ist schon in vollem Gange, als sich die vier wieder unter die anderen Leute mischen. Sie stossen mit dem selbst gekelterten Holunderwein auf einen unvergesslichen Sommer im Zollhaus an…
PS: Der kleine Yannik nutzt die Gunst der Stunde, und jagt mit seinen besten Freundinnen von Loggia zu Loggia, da wieder einmal niemand die Türen geschlossen hat. Die Kinder haben heute Abend die ganze 3.5-Familien-Riesenwohnung für sich alleine, da alle auf der Dachterrasse am Feiern sind. Erst zwei Stunden später schläft er müde und überglücklich in seiner «Lokomotive» aus Kartonschachteln ein.
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